Freediving – auch bekannt unter dem Begriff Apnoetauchen (griechisch für Nicht-Atmung) – erfreut sich immer größerer Beliebtheit in der Welt der MeeresliebhaberInnen. Und das nicht nur unter Tauchbegeisterten.
Es war also an der Zeit für uns Surfnomaden herauszufinden, was sich genau unter einem Freedive versteht und wie diese spezielle Technik dein Surflevel verbessern kann. Ich habe daher im Juni 2023 an einem Freedive-Kurs von Águas Vivas in Vila Nova de Milfontes, Portugal, teilgenommen.
Spoiler vorweg: ich bin extrem begeistert und Freedive-Atemübungen bilden inzwischen einen festen Bestandteil meiner Morgenroutine.
Warum du kein Big Wave-Surfer sein musst, damit diese Atemtechnik interessant für dich ist, was genau sich hinter dem Begriff verbirgt und wie das Apnoetauchen dein Leben als SurferIn sowohl während deiner Surf Sessions als auch im Alltag bereichern kann, erzähle ich dir in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Apnoetauchen überhaupt?
Die faszinierende Welt des Apnoetauchens hat ihren Ursprung in alten Kulturen, in denen Menschen aus der Notwendigkeit heraus ohne technische Ausrüstung tief tauchen mussten, um Nahrung zu sammeln oder Ressourcen zu gewinnen.
Das bekannteste Beispiel sind wohl die koreanischen Muscheltaucherinnen Haenyeo, über die Patagonia jüngst die empfehlenswerte Kurzdokumentation Daughter of the Sea gedreht hat.
Heutzutage hat sich das Apnoetauchen zu einer fesselnden Wassersportart entwickelt, die von einer zunehmenden Anzahl an MeeresliebhaberInnen auf der ganzen Welt in unterschiedlichem Ausmaß geschätzt wird.
Die Beherrschung vom Apnoetauchen ermöglicht es dir ohne externe Hilfsmittel in die Welt der Meere abzutauchen und für kurze (oder auch längere) Zeit ein Teil von ihr zu werden.
Aber ob als Wettkampf betrieben, als meditatives Hobby oder als bereichernde Ergänzung zum Surfen: Die Grundlage für einen sicheren Freedive bildet die Fähigkeit, mit Hilfe einer speziellen Technik den Atem lange anzuhalten, unter Wasser die Ruhe zu bewahren und die eigenen Grenzen zu erkennen. Und vor allem: niemals alleine Tauchgänge durchzuführen!
Warum ist das Apnoetauchen für Surfer so interessant?
Und eben jene Attribute sind es, die dich auch beim Surfen bereichern und deine Skills aufs nächste Level befördern können. Denn, dass Surfen nicht nur ein Sport ist, der körperliche Fitness erfordert, fühlen wohl die meisten SurferInnen von euch, die nach und nach ihr Leben immer weiter um das Meer und seine Wellen herum aufgebaut haben.
Für viele von uns ist es inzwischen ein Lebensstil und wir können aus eigener Erfahrung berichten, dass die Kenntnis übers Meer einen großen Teil vom Surfen ausmacht. Und dazu gehört eben auch, sich im Wasser rundum wohl zu fühlen. Nicht nur oberhalb, sondern vor allem auch unterhalb der Wasseroberfläche, um beim nächsten Waschgang die Ruhe zu bewahren.
Denn neben der körperlichen Fitness, spielt auch die mentale Stärke mit zunehmenden Herausforderungen im Line-Up eine immer größere Rolle für dein persönliches Surf-Level.
Das Erlernen der Technik für das Freediving kann dich dabei unterstützen eine noch engere Verbindung zum Meer aufzubauen. Außerdem hilft es ungemein dabei zu wissen, wie lange du fähig bist, die Luft anzuhalten (viel länger als du vermutlich glaubst), sodass größere Wellen kein unüberwindbares Hindernis mehr sind, sondern die nächste machbare Herausforderung.
Damit wirst du beim nächsten Hold-Down (in deutschen Surferkreisen auch bekannt als die gute, alte Waschmaschine) Unterwasser komplett entspannen können, bis der Trubel vorbei ist und dich das Meer wieder an die Oberfläche lässt.
Eine der wichtigsten Komponenten beim Apnoe-Training bildet die Entwicklung der Fähigkeit, die Zwerchfellkontraktionen (aka das dringende Gefühl wieder Luft holen zu müssen) anzunehmen und den immer stärker werdenden Atemreflex bis zu einer gewissen Grenze auszuhalten. Denn was genau passiert eigentlich in deinem Körper, sobald er sich Unterwasser befindet?
Der Tauchreflex
Beim Eintauchen des Gesichts in Wasser, setzt der sogenannte Tauchreflex ein und dieser wiederum führt zu einer Verlangsamung des Herzschlags, einer Verengung der Blutgefäße und einer Umverteilung des Blutflusses weg von den Extremitäten und hin zu den lebenswichtigen Organen wie dem Gehirn und dem Herzen. Diese unbewusste Reaktion des Körpers ermöglicht eine längere Verweildauer unter Wasser, indem der Sauerstoffverbrauch reduziert wird.
Durch das Apnoe-Training kann der Drang zum Atmen für eine gewisse Zeit unterdrückt werden, was für FreediverInnen von entscheidender Bedeutung ist, um längere Tauchzeiten zu erreichen.
Das Training zielt darauf ab, das Atemzentrum im Gehirn an die längeren Atemunterbrechungen zu gewöhnen und die Toleranz gegenüber erhöhtem Kohlendioxid (CO2) im Blut zu vergrößern.
Dies geschieht durch schrittweises und kontrolliertes Atemtraining. TaucherInnen üben zunächst das kontrollierte Atmen, um die CO2-Toleranz zu erhöhen und dann das schrittweise Verlängern der Atemunterbrechungen, um den Atemreiz zu verzögern. Es ist wichtig, dies unter Anleitung eines erfahrenen Trainers oder einer Trainerin zu tun, um die Sicherheit zu gewährleisten und mögliche Risiken zu minimieren. Soviel zur Theorie über die Kunst des Apnoetauchens.
Der Apnoe-Tauchkurs bei Águas Vivas
Da ich mich momentan mit meinem Van und meinen Surfboards an der südlichen Westküste von Portugal aufhalte und den ein oder anderen Sommer-Swell abstaube, fiel die Wahl eines Freedive-Kurses relativ schnell auf Águas Vivas in Vila Nova de Milfontes.
Bei meiner Recherche ist dieser besonders hervorgestochen, da Mario (Lehrer) und Concha (Organisatorin) auf den ersten Blick wirklich leben und lieben, was an alle neuen Freedive-SchülerInnen vermittelt werden soll: die Liebe zum Meer und die Möglichkeit, mithilfe dem Apnoe im wahrsten Sinne des Wortes noch tiefer in diese Welt einzutauchen. Und genau so war es am Ende auch.
Nach einem super netten Kontakt stand schließlich das Datum fest und ich zählte aufgeregt die Tage bis zum Beginn. Denn obwohl ich bereits einen Tauchschein besitze und mich zudem sehr wohl im Ozean fühle, hatte ich enorm viel Respekt davor, nur mit Hilfe meines eigenen Sauerstoffreservoirs aka meinen Lungen, auf bis zu zehn Meter Tiefe runter zu tauchen. Denn das, so hieß es, sei bereits am Ende des ersten Tages machbar.
Apnoe-Training an Land
Bereits von der ersten Minute an war klar, dass Mario Freedive-Lehrer aus absoluter Leidenschaft ist. Seine unglaubliche Begeisterung für das Apnoetauchensteckte mich sofort an und gleichzeitig schaffte er es, genau die richtigen Sachen zu sagen, um meine Nervosität zu lindern.
Nach der ersten Einführung ging es anschließend auf die Yogamatte. In ruhiger Atmosphäre lernten wir verschiedene Dehnübungen für die Lunge kennen und wurden Schritt für Schritt an die richtige Atemtechnik herangeführt (wie genau diese aussieht, ist schwer in einem Artikel zu erklären und lässt sich wirklich am besten in einem Apnoe-Tauchkurserlernen).
Außerdem ermutigte uns Mario dazu, in unseren Gedanken unseren ganz persönlichen Wohlfühl-Ort oder -Moment zu visualisieren. Warum, wurde uns in der nächsten Übung klar und mir wurde zunehmend bewusst, dass Apnoetauchenanscheinend vor allem eine Frage des Mindsets darstellt.
Abwechselnd wurde uns ein Pulsoximeter an den Zeigefinger geklemmt, der während der ersten Runde des Luftanhaltens sowohl unseren Puls, als auch unseren Sauerstoffgehalt im Körper maß.
Als ich nach etwa einer Minute das überwältigende Bedürfnis hatte zu atmen, lag mein Sauerstoffgehalt zu meiner eigenen Überraschung immer noch bei 96% und mein Puls war deutlich niedriger als noch zu Beginn der Übung – sehr gesund.
Für den nächsten Versuch erklärte uns Mario, gedanklich an den zuvor visualisierten Wohlfühlort zu reisen, sobald die ersten Zwerchfellkontraktionen und damit der Drang zum Atmen einsetzen. Gesagt, getan und während ich laut Mario anscheinend wie eine irre Grinsekatze die Luft anhielt, landete ich bei meinem zweiten Versuch gleich bei 2:35min!
Damit will ich an dieser Stelle nicht angeben, sondern lediglich verdeutlichen, was du mit dem richtigen Training innerhalb kürzester Zeit einen riesigen Fortschritt machen kannst. Ich war auf jeden Fall sprach- (und ein bisschen atem-) los.
Apnoe-Training im Pool
Um das Gelernte auch im Wasser umzusetzen, ging es anschließend auch schon von der Yogamatte in den Pool. In voller Montur, also einem speziellen Neoprenanzug, in den man nur mit ganz viel Seifenwasser kommt, Brille und Schnorchel lernten wir zunächst, wie wir die Sicherheit unseres Freedive-Buddys sicherstellen und im Falle eines Blackouts unter Wasser erste Hilfe leisten können. Ich werde es hoffentlich nie anwenden müssen und doch gibt es auch für das Surfen ein gutes Gefühl.
Im Wasser selbst war es noch einmal ein völlig anderes Gefühl, alle Techniken umzusetzen und ich wurde immer neugieriger, wie es mir wohl im Meer ergehen würde, wenn ich plötzlich nicht mehr an einem sicheren Beckenrand nur 20 cm unter der Wasseroberfläche hing, sondern an einem Seil dem Meeresgrund entgegentauchen würde…
Apnoe-Training im Ozean
Nach einer kurzen Mittagspause war es schließlich soweit und wir fuhren mit Mario in seinem Boot über das offene Meer. Alleine für die Aussicht hätte sich der Kurs schon gelohnt, denn diese Gegend von Portugal mit seinen schroffen Klippen und klarem Wasser ist wirklich besonders.
An einem passenden Ort angekommen, ließ Mario die Schwimminsel, sowie die Freedive-Line ins Wasser und dann war es soweit: Der erste Versuch, die gelernte Apnoe-Technik im Ozean zu nutzen und in die blaue Tiefe abzutauchen. Dank Marios ausführlicher Erklärungen, seiner unendlichen Begeisterung und Geduld, konnte ich es kaum noch abwarten.
Tja, und dann durchkreuzte mir der Druckausgleich leider meine Ambitionen. Ich kam nicht tiefer als drei Meter, bis meine Ohren anfingen wehzutun und ich es trotz verschiedener Techniken nicht schaffte, mit zunehmender Tiefe den Druck adäquat auszugleichen. Das hatte ich mir wirklich anders vorgestellt.
Doch zu meiner allergrößten Überraschung war ich nach mehreren Versuchen im Apnoetauchen trotzdem alles andere als frustriert, im Gegenteil: ich war stolz auf mich, meine Ängste überwunden und meine ersten Schritte in die Freedive-Welt gemacht zu haben. Und es hat in mir den riesigen Wunsch hinterlassen, es dann eben beim nächsten Mal auf die ersten zehn Meter runter zu schaffen.
Fazit
Auch wenn am Ende alles anders kam als gedacht, war es eine der tollsten Erfahrungen und ich kann dir nur wärmstens empfehlen, an einem Freedive-Kurs mit Águas Viva bei Mario teilzunehmen, wenn du dich eines Tages im Alentejo an der Westküste Portugals befindest.
Dank der intensiven Einführung in die richtige Apnoe-Technik, sowie diverse Übungen an Land, als auch im Pool, habe ich ein grundlegendes Verständnis von der Kunst des Apnoetauchens erhalten.
Mario ist mit seiner ansteckenden Begeisterung und seinem enormen Wissen der beste Lehrer, den du dir für den Einstieg wünschen kannst und ich freue mich bereits jetzt auf meinen nächsten Versuch, meine Fähigkeiten im Apnoetauchen weiter zu vertiefen.
Denn die Technik ist relativ komplex und bedarf konstanter Übung, da vor allem die Kontrolle der Gedanken eine riesige Rolle spielt, um lange Unterwasser bleiben zu können. Und genau dieses Freedive-Mindset ist es, was dich auch im Surfen weiterbringen wird.
Durch Apnoe lernst du vor allem, deinem Körper zu vertrauen, dich auch für längere Zeit Unterwasser wohl zu fühlen und noch mehr Verbundenheit mit dem Meer zu spüren. Der nächste Wipe-Out kann also kommen, wir sind da ab jetzt ganz tiefenentspannt.
Hast du schon einmal Apnoetauchen ausprobiert? Erzähle uns gerne von deinen Erfahrungen in den Kommentaren, wir sind ganz neugierig.