DER SURFER FILM DES JAHRES: THE OLD, THE YOUNG AND THE SEA

Die Jungs von “The Old, the Young & the Sea” haben mit ihrer Surf-Doku ein großartiges Filmdebüt hingelegt. Ich selber war auf der Berliner Premiere dabei und habe mich von den Bildern in den Bann ziehen lassen.

Im Anschluss habe ich die Gelegenheit genutzt, um Mario von der Filmcrew einige Fragen zu stellen. Herausgekommen ist ein spanendes Interview übers Surfen, Unterwegssein, Prioritäten im Leben und den Platz des Surfens in der europäischen Leistungsgesellschaft.

Zur Einstimmung aber erstmal der Trailer zum Surfer Film des Jahres:

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Mario, euer Filmprojekt ist ein eindrucksvolles Porträt über Europas Surfkultur. Darin zeichnet ihr ein Bild von Menschen, die ihr Leben nach den Gesetzen des Meeres ausrichten. Sie leben nach dem Motto: surfing comes first.

Dabei wird nicht nur der Alltag, sondern auch der Arbeitsrhythmus oft genug durch das Surfen und die Launen des Meeres diktiert, die sich naturgemäß nicht nach den Arbeitszeiten der Protagonisten richten.

Also wird da schon das eine oder andere Mal nachgeholfen: Der Gärtner tauscht die Heckenschere gegen sein Surfboard und beim Banker haben die Kunden das Nachsehen wenn sich ein vielversprechender Herbstswell ankündigt.

1. Ist diese Prioritätensetzung ein allgemeines Muster, das ihr bei den dokumentierten Surfenthusiasten erkennen konntet?
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Das Klischee des Surfers ist doch das des Aussteigers, im Englischen spricht man von Surf Bums, also die Surf Penner. Der Surfer Film The Drifter zeigt beispielsweise einen Rob Machado, der alles hinter sich lässt und scheinbar ziellos mit dem Motorrad herumtreibt, von Surf Session zu Surf Session.

So sind aber die wenigsten. Wir wollten eine weniger verklärte Sicht zeigen, die – unserer Erfahrung nach – näher an der Realität liegt. Die Leute, die wir getroffen haben, integrieren das Surfen in ihren Alltag, anstatt alles andere dafür zu vernachlässigen.

2. Der Surfer Film erzählt viele spannende Geschichten über das Surfern in Europa. Gleichzeitig ist er aber auch eine Verarbeitung unterschied-lichster Lebensmodelle. Bringt es das Surfen mit sich, dass gängige Lebensmodelle grundlegend in Frage gestellt werden?

Lebensmodelle grundlegend in Frage zu stellen – das geht wie gesagt wahrscheinlich zu weit. Ein bisschen hier adaptieren, ein bisschen da anpassen und man schafft sich neben der vielbesungenen schnellen Arbeitswelt Fenster, in denen man seinen Leidenschaften nachgehen kann. Ob diese Freiräume fürs Surfen, Bergsteigen oder Stricken genutzt werden, ist dann ja auch egal.

Das Surfen als Sport macht’s einem vielleicht leichter, weil die grundsätzliche Ausübung des Sports schon Reisezeiten, Stehzeiten, Erholungszeiten mit sich bringt. Das Surfen zwingt einen zu einer gewissen Langsamkeit, die man vielleicht nicht gewohnt ist – es chillt einen ein bisserl runter. Dazu kommt noch der Kontakt mit der Natur und ihre Launen, die man nicht ändern kann. Sauguter Sport, oder?

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3. Auch wenn ihr einige Surfer portraitiert, die als werdende oder bereits erfolgreiche Profisurfer arbeiten und von dem Sport leben können, so lebt die Mehrzahl der Charaktere doch eher am Rande der Gesellschaft. Gibt es in der Mitte der heutigen Leistungsgesellschaft keinen Platz mehr für Soul-Surfer?
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Ich glaube nicht, dass unsere Charaktere am Rande der Gesellschaft leben. Sind nur hart arbeitende Burn-Out Kandidaten in der Mitte der Gesellschaft? Die Frage ist doch die, ob man sich nur über Arbeit definieren darf, oder ob Teil meiner Identität auch das Freizeitmensch sein darf. Der Rand der Gesellschaft – falls sich diese Menschen in diesem Rand befinden – ist sicherlich breiter, als das immer deklariert wird.

Die Leistungsgesellschaft wird da generell ein bisschen überbewertet, denk ich. Man kann sich heute mehr Platz frei arbeiten – gerade in Europa, wo 40 Tage Urlaub im Jahr keine Seltenheit sind und so vielfältige Jobs entstanden sind. Die Möglichkeiten, zeitweise abzutauchen und einfach Surfer zu sein, nehmen eher zu.

Sicher, das ist ein Privileg, das nicht jedem zuteil wird. Guyom, einer unserer Charaktere bringt das auf den Punkt, wenn er sagt: „We are part of the lucky 5%“. Aber diese 5% sollten die Gelegenheit am Schopf packen!

4. Euer Surfer Film hat die Botschaft: Surfen ist mehr als nur ein Sport. Was ist eure Empfehlung für landlocked Surfer, die sich im alltäglichen Hamsterrad befinden und kaum noch ins Line-Up kommen?
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Dass man Binnenländler ist, sollte keine Ausrede für das Leben im Hamsterrad sein. Wenn’s sowas wie einen Soulsurfer gibt, dann sicher nicht nur dann, wenn er oder sie im Wasser ist. Prioritäten hinterfragen, die Sinnhaftigkeit vieler derer Dinge, die einen im Alltag stressen, vielleicht auch einfach einmal gut sein lassen… Das ist fast tabu es zu sagen, aber nicht unbedingt falsch, oder? Yallayalla!

5. Sie tauchen in eurem Surfer Film nicht auf, aber ihr habt auf eurer Reise eine Vielzahl von Surfern interviewt, die es nicht in die finale Version geschafft haben. Waren darunter auch Surfer, die ihren Lebensunterhalt durch mobile Arbeitsmodelle bestreiten?
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Ja, genug! Milea zum Beispiel, die Surferin aus Deutschland, die mit ihrem Bus entlang der Küste unterwegs war, hat sich ihren Aufenthalt durch Woofing (Arbeiten auf einem ökologischen Bauernhof) verlängert.

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Clive, der Puppenspieler, finanziert sich das Wenige, das die surfende Familie zum Leben braucht, über die Kleinkunstarbeit auf der Straße.

In den Surfcamps arbeiten viele, die nicht Geld verdienen, sondern sich Zeit leisten wollen. Wenn Strände wie Supertubos, Rodiles; Nazare oder Mundaka on sind, versammelt sich eine Schar von halbprofessionellen Photographen, die das eine oder andere Bild an Zeitschriften verkaufen. Und dann gibt’s noch die vielen Touris, die in einem Nest als Kellner hängen geblieben sind. Wir selbst haben uns durch unsere Arbeit an einem Surfer Film einen so langen Aufenthalt am Meer erst ermöglicht.

6. Der Titel “The Old, the Young & the Sea” wurde über Crowdsourcing und einem anschließenden Voting auf Facebook ermittelt. Habt ihr diese Dinge von unterwegs aus erledigt? War der Bully euer Schnittraum on the road und seit ihr dabei selber zum Surfen gekommen?
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Naja, wenn die Wellen gut sind, dann eben eher nicht. Da mussten wir filmen. Insgesamt war ich in 20 Wochen so schätzomativ an die 20 Mal surfen… Also als Surfurlaub taugt so eine Drehreise nicht besonders!

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Zum Teil war der Bully unser Büro. Eng, aber Büro. Stefan hat am ersten Abend am Meer die Website programmiert, täglich die Portraits bearbeitet, die dann auf die Website gestellt wurden. Andy und ich haben jeden Tag die Geschichten dazu geschrieben. Daneben war natürlich viel Email-Arbeit dabei, also Charaktere ausfindig machen und kontaktieren, die Koordination mit unserem Partner Surfrider Foundation Europe und so weiter.

Das Crowdfunding war einige Monate vor der ersten Reise – das haben wir in unseren Büros in Graz erledigt. Der Schnitt dauerte insgesamt über ein halbes Jahr – das haben wir auch in Graz gemacht. So einen Film zu machen, dauert ja davor und danach länger als nur eine Reise.

7. Der europäische Sommer steht vor der Tür, geht’s jetzt erstmal in die Welle oder plant ihr schon das nächste Filmprojekt?
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Im Moment sind wir noch immer voll beschäftigt, den Surfer Film an möglichst vielen Orten zu spielen. Also Kinos suchen, buchen, bewerben. Gleichzeitig arbeiten wir dran, dass ihr den Film auch endlich kaufen könnt. Wer das will kann sich auf www.oldyoungsea.com dafür in einen Newsletter eintragen bzw. auch schon vorbestellen.

Daneben arbeiten wir Interviews ab (Servas!) und Ende April geht jetzt unsere Ausstellungstour mit den Photos von OldYoungSea los.

Mariahimmel! Ich wär schon so gern beim nächsten Film… Macht mehr Spass als zuhause zu sitzen und ständig Surfer zu sehen!

Wir planen aber schon das neue Projekt – und wer errät, was wir als nächstes angehen, bekommt von uns einen Eislutschga!

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