In Holland Surfen: Kalte Tubes und heiße Chocomels

In Holland surfen bedeutet über 450 Kilometer unscheinbare Küste, in denen mehr Potential schlummert, als viele vielleicht glauben.

Künstliche Hafenmündungen, Molen, Wellenbrecher in allen Größen und Formen, riesige Sandvorlagerungen und eine kleine Kette surftechnisch größtenteils unerschlossener Inseln – also das volle Programm!

Außerdem ist die holländische Küste so ausgerichtet, dass die meisten Spots die Nord- bis Nordwest-Swells der Tiefdruckgebiete vor Norwegen und die Südwest-Windswells vom Ärmelkanal magnetisch anziehen.

Scheveningen Surf Session am Pier_Surfen in Holland

Session am Pier von Scheveningen

Die einen - der See traditionell eher misstrauisch eingestellt, spezialisierten sich auf die Deichbau-Kunst, was angesichts der tiefen Lage unterhalb des Meeresspiegels vielleicht keine üble Idee war.

Die anderen surften die Wellen der holländischen Nordsee und zelebrierten die Surfkultur seit den 1960ern mit unverhältnismäßigem Elan.

Lesetipp: Wenn du deine Surfskills bereits in der Heimat verbessern willst, kann ich dir auch das Surfcoaching im Wellenwerk Berlin oder in der Jochen Schweizer Arena in München empfehlen.

Denn wer in Holland surfen und vor allem scoren will, braucht viel Kraft. Mental, weil es sehr gut sein kann, dass dich der Surf Forecast gnadenlos im Stich lässt und physisch, weil es sehr gut sein kann, dass die Strömung so stark ist, dass du entweder dauerhaft gegen das Fließband ankämpfst oder ständig Runden laufen musst.

Barrel Surfer in Holland

Hart erarbeitet: Barrels surfen in Holland

Aber das ist auch Teil dessen, was das Surfen in Holland so besonders macht; es hält dich auf Trab und wenn dann endlich mal alles zusammenkommt, weißt du es wirklich zu schätzen.

Die folgenden Abschnitte sollen dich bestmöglich vorbereiten, dass du zur rechten Zeit am rechten Spot bist. Denn beim Surfen in den Niederlanden ist Timing absolut alles. Timing und die Fähigkeit aus den bislang etwas verwirrenden Forecasts schlau zu werden.

Zunächst erstmal ein paar allgemeine, aber essentielle Tipps:

Wann ist also die beste Zeit, um in Holland surfen zu gehen? Das Schöne ist, dass jede Jahreszeit ihre Vorzüge hat und du eigentlich immer Glück haben kannst.

Die konstantesten Wellen gibt es definitiv im Winter, doch dann fällt die Wassertemperatur auch empfindlich ab und selbst mit einem hochwertigen Neoprenanzug wird jede Session zu einer harten Probe.

In der kältesten Jahreszeit sind die Hauptsurfspots um Scheveningen und Wijk aan Zee zu empfehlen. Einfacher wird dir die Wintersession nirgends gemacht: Die Surfclubs am Strand sind das ganze Jahr über geöffnet und haben beheizte Umkleidekabinen und warme Duschen – für alle und für lau!

Niederlande surfen-Scheveningen im Winter

So ruihig und verschlafen ist Scheveningen nur im Winter

Nach der eisigen Session kannst du dich gemütlich am Kamin bei einer heißen Schokolade oder einem Grog aufwärmen. So viel Luxus war früher völlig undenkbar, als man sich noch auf den Parkplätzen das heiße Wasser aus der Thermoskanne in die steifgefrorenen Neopren-Booties kippen musste J.

In der Regel dauert es immer bis Ende Mai, Anfang Juni bis die Nordsee etwas wärmer wird und du die Winterpelle ablegen kannst. Dann solltest du um das nordeuropäische Surfmekka eher einen großen Bogen machen, denn mit der Wärme kommen auch die Massen!

Aus dem winterlich entspannten Surfer-Dorf Scheveningen wird dann ein überfüllter Touri-Zirkus, mit nahezu anarchischen Zuständen im Wasser.

Surfen in Holland_Mit der Wärme kommen die Massen

Surfen in Holland: Mit der Wärme kommen die Massen

Wenn du in Holland surfen möchtest, solltest du dich prinzipiell sowieso nicht nach der Saison, sondern nach den Vorhersagen richten und dich spontan auf den Weg machen, sofern es am Wochenende gut aussieht oder du mal einen Tag frei hast.

Magicseaweed und Windy haben sich für die Niederlande als zuverlässig erwiesen. Groundswells von 2 bis 3 Fuß mit 7 bis 8 Sekunden aus NW bis N, bei Wind aus südöstlicher bis südlicher Richtung sind hier der absolute Jackpot!

Kurzlebige Windswells aus West bis Südwest sind aber auch eine Überlegung wert.

Mein Tipp: Wenn du von den Vorhersagen etwas überfordert bist oder der Wetterlage nicht so ganz über den Weg traust, solltest du einen Blick auf surfweer.nl werfen. Der Meteorologe Tobias van Tellingen gibt hier einen Überblick der Bedingungen für die kommende Woche, inklusive Erwartungen für die Wellenhöhen, Windrichtungen und Empfehlungen für die besten Spots.

Dein Holland Quiver: Das richtige Board für die Nordseewellen

Volumen ist in der Nordsee dein bester Freund. Es geht natürlich immer irgendwie, aber in den seltensten Fällen ist dein High-Performance Shortboard die richtige Wahl für die Surfsession in Holland.

Longboards oder Mid-Lenghts sind nie verkehrt, um die Wellenausbeute zu maximieren. Fish Surfboards und Hybrid-Shapes mit viel Volumen unter der Brust sind auch zu empfehlen. Heutzutage sind selbst Softboards salonfähig und für die kleinen Tage oder den Shorebreak eine spaßige Option.

Außer bei Südwest-Sturm oder an der Maasvlakte kannst du dein Shortboard also getrost zu Hause lassen.

Die besten Surfspots in Holland

Damit du dich bei deinem geplanten Surftrip nach Holland schnell zurecht findest, bekommst du hier schon mal alle Basics für die bekanntesten Surfspots entlang der niederländischen Küste mit auf den Weg. Darüber hinaus gibt es aber natürlich noch jede Menge weitere Spots zu entdecken. Don't stop exploring!

Domburg

Das beschauliche Feriendörfchen ist Surfspot Nummer 1 in der Region Zeeland im Süden Hollands. Der Spot läuft bei allen Wellenrichtungen von SW – N und steckt selbst eine starke Onshore-Brise weg.

 Optimale Bedingungen sind reiner Nord-Swell, mit leichtem Ostwind, bei mittlerer, auflaufender Tide. Die beliebtesten Sandbänke liegen in der Regel südlich vom Golfplatz, doch es gibt viel Platz, um den Locals und den Wochenendhorden aus dem Weg zu gehen.
Domburg im Winter

Domburg im Winter

Domburgs Beachbreaks sind bekannt für schnelle, erstaunlich kräftige Wellen. Auf der rechten Seite der hölzernen, alten Wellenbrecher können sogar ernstzunehmende Tubes gesurft werden. Der Sportshop Domburg ist ein solide ausgestatteter Surfshop, mit einer ausgezeichneten Surfschule, mit Lokalheld und holländischem Meister im Shortboarden, Pascal van der Mast als Headcoach.

Maasvlakte II

Instagram sei Dank: Die unglaubliche Qualität der Maasvlakte ist kein Geheimnis mehr. Die letzten Winterswells wurden hier so minutiös dokumentiert, dass Ende März bei den richtigen Bedingungen über 150 Leute an der kleinen Takeoff-Zone lagen!

Die Künstliche Insel an der Hafenmündung des riesigen Rotterdamer Industriehafens liegt einen knappen Kilometer vor dem Festland und zaubert ungeahnte Wellen aus den bizarrsten Vorhersagen.

Maasvlakte Tube surfen bei onshore_Künstliche Insel an der Hafenmündung des Rotterdamer Industriehafens in Holland

Typisch Maasvlakte: Tubes surfen bei Onshore

Denn aufgepasst, damit die langen rechten Barrels ins knietiefe Wasser scheppern, braucht es einen O/N-O Sturm! Die Dünung dreht sich dann um den nordöstlichen Teil der künstlichen Landzunge und fächert lange, druckvolle Wellen den Strandabschnitt herunter.

Diese Wellen solltest du wirklich ernst nehmen. Gebrochene Bretter sind keine Seltenheit, die Strömung ist so stark wie sonst nirgends in Holland und die Wasserqualität ist auch nicht optimal.

Skurrile Kulisse_Der Maasvlakte Industriehafen

Skurrile Kulisse: Der Maasvlakte Industriehafen

Doch nirgendwo sonst in Holland kannst du solche Barrels surfen, also geht das wahrscheinlich in Ordnung. Außer einem (im Sommer gebührenpflichtigen) Parkplatz gibt es hier übrigens nur Sand und gute Wellen. Die Maasvlakte ist ein reines Industriegebiet, ohne jegliche Annehmlichkeiten für Badegäste.

Hoek van Holland

Auf der Nordseite des immensen Europoort-Hafens gibt es einen anständigen Beachbreak, vor einer Kulisse mit einem gewissen industriellen Charme (soll heißen ziemlich hässlich).

Aber bei NW-Swell und Wind aus südwestlicher oder südlicher Richtung kann die das egal sein, denn dann brechen hier erstaunlich druckvolle Wellen. Flut bekommt dem Spot am besten und auch im Sommer ist es selten wirklich voll im Wasser.

Wenn du also in Scheveningen an der Kante stehst und vor lauter Surfern das Lineup nicht mehr siehst, lohnt sich ein kurzer Abstecher nach Hoek van Holland. Aber auch wirklich nur zum Surfen, den sonst liegt hier der sprichwörtliche Hund begraben.

Scheveningen

Windswell, Sideshore-Sturm, 200 Leute im Wasser - keine Seltenheit. Die alte Garde zieht ihre Bahnen, dazwischen nehmen auffällig viele talentierte Grommets alles auseinander, was übrigbleibt.

Die Umkleidekabinen und warmen Duschen sind das ganze Jahr über geöffnet. Kooks, Pros, Touris, Locals und alle dazwischen sitzen Schulter an Schulter im Lineup. ,,Definitely way up there on the global crazy scale!’’, befand Longboard Ikone CJ Nelson, als ihn jemand beim Hartbeach Meet & Greet in Scheveningen ansprach. Die Surfszene in Scheveningen hat definitiv kalifornische Ausmaße angenommen!

In Holland surfen-scheveningen noord longboard

Hohes Surf-Niveau: Longboard Surf ineben der Hafenmole in Scheveningen Noord 

Doch die unerschütterlich positive Grundeinstellung der Community ist ansteckend. Die launische Nordsee wird mit charmanter Selbstironie ausgekontert und trotzdem wird die Surfkultur hier zelebriert. Nach dem Surf treffen sich alle, wirklich alle, beim Hartbeach Surfclub am Strand und begießen die Session mit einem „Biertje“ oder einer heißen „Chocomel“.

Obwohl sich die meisten direkt am Noord, an der rechten Seite der Hafenmole in die Massen stürzen, gibt es in Scheveningen einige Ausweichmöglichkeiten, die oftmals sogar besser laufen als der Mainbreak.

Nicht schön, aber gut_Scheveningen Pier Barrels_Holland wellenreiten

Nicht schön, aber gut: Scheveninger Pier Barrels

Dabei hängt alles von der Windrichtung ab: Bei NNO bis NW laufen der Zuid auf der linken Seite des Hafens und der Spot südlich des Piers am besten. Bei SW bis W bietet die Nord-Mole Schutz und es bleibt nichts anderes übrig, als sich ins Getümmel zu werfen.

Süd- bis Südostwind ist in Scheveningen optimal. Dann lohnt es sich, den Boulevard entlang zu cruisen und nach einer einsamen Sandbank Ausschau zu halten.

Wijk Aan Zee

Der Homespot der Amsterdamer Kosmopoliten – und der schrägen Vögel, die quasi direkt vom Barhocker der Innenstadt-Spelunken ins Lineup fallen. Das ergibt eine eklektische Mischung an Surfern in allerdings eher mäßigen Wellen.

Auch hier schützt eine lange Hafenmole vor südlichen Winden. Doch anders als in Scheveningen fällt der Meeresboden nur allmählich ab, sodass die Wellen schon weit draußen brechen und viel an Kraft einbüßen bis sie schließlich auf die eigentliche Sandbank treffen.

Der Spot wird von den Locals auch Wijkiki genannt – wohl eher ironisch, denn mit den rauchenden Schloten der stinken Stahlfabrik im Hintergrund könnte Amsterdams Hausstrand nicht weiter von der hawaiianischen Idylle entfernt sein.

Um einen Städte-Trip mit einer kurzen Surfsession aufzulockern reicht es trotzdem – und für alle, die in den Amsterdamer Büros ihr 9-5 Dasein fristen, allemal. Der Ozlines Surfshop direkt am Strand hat alles, was du auf die Schnelle brauchen könntest. Mit den beiden Strandpavillons rechts und links daneben kannst du auch nichts falsch machen, wenn du nach der Session Hunger hast oder statt Schwabbelwellen lieber ein kühles Bier trinken möchtest.

Die westfriesischen Nordseeinseln Texel, Vlieland & Terschelling

Die „Waddeneilanden“ sind typische, tiefliegende Barriere-Inseln mit wechselnden Sandbänken entlang offener Strände. Sie sind die Anlaufstelle Nummer eins für saubere Groundswells aus Nord bis Nordwest.

Die Wellen sind hier oben fast immer etwas größer als vorhergesagt und die Strömungen auch nicht ohne. Hinzu kommt, dass die wenigsten Strände bewacht sind und viele Strandabschnitte besonders in der Nebensaison oft komplett verlassen sind. Zu zweit surft es sich hier oben also definitiv sicherer!

Nordseeinsel Texel in Holland_Geheimtipp für Surfer bei Nordswell

Nordseeinsel Texel: Geheimtipp bei Nord- bis Nordwest-Swell

Wenn du abseits der Massen bei entspannter Inselatmosphäre in schöner, unberührter Natur ein paar Wellen für dich alleine haben möchtest, nimmst du die Fähre von Leeuwarden oder Den Helder und schipperst nach Texel oder Terschelling. Für einen Tagestrip sicher etwas mühsam aber für ein langes Wochenende mit Camper oder Zelt sind die westfriesischen Inseln absolut einen Abstecher wert.

Fazit

Zugegeben, die Niederlande sind nicht unbedingt Surfers Paradise: Es ist oft kalt, windig und flat. Doch es gibt mehr surfbare Wellen als die meisten vielleicht erwarten.

Wenn du nicht zu wählerisch bist, kommst du drei bis vier Mal die Woche bei annehmbaren Bedingungen ins Wasser. Richtig „französisch“ wird’s aber nur wenige Male im Jahr, doch die vielen Molen, Wellenbrecher und Piers können auch aus schwierigeren Vorhersagen schöne Wellen zaubern.

Surfen in Holland_Definitiv besser als Sylt

Surfen in Holland: Definitiv besser als Sylt

Behalte die Forecasts unbedingt im Auge und mach dich spontan auf den Weg, um zur richtigen Zeit ins graue Nordseewasser zu paddeln. Die Facebook-Gruppe Kölle surf Holland kannst du dich mit anderen Surf Travellern austauschen, über die passenden Forecasts philosophieren und dich in Fahrgemeinsachten für einen gemeinsamen Surftrip verabreden.

Mit der richtigen Einstellung lohnt es sich immer, in Holland surfen zu gehen. Und wer weiß, vielleicht erwischst du ja einen dieser magischen Tage. Dann gibt es in der Nordsee definitiv nichts Besseres!

Und warst auch du schon mal in Holland surfen oder hast noch Fragen zu Anreise, Unterkünften oder Surfschulen? Dann fackel nicht lange und schreibe einen Kommentar mit deinen Fragen direkt unter diesen Beitrag.

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3 Gedanken zu „In Holland Surfen: Kalte Tubes und heiße Chocomels“

  1. Ich kann bestätigen: surfen in den Niederlanden funktioniert. War gerade dort und hatte von 6 Tagen 2 etwas maue aber machbare Tage und 2 Tage perfekte kleine Wellen für einen leicht talentfreien Anfänger in den grünen Wellen.
    Dafür hatte ich die Wellen für mich und konnte mich völlig stressfrei auf das Anpaddeln und Aufstehen konzentrieren. War aber auch nicht an einem der genannten Spots, die für Surfer mit besseren Fähigkeiten vielleicht etwas besser laufen.
    Was als Kompromiss mit dem nicht-surfenden Partner als relaxed Urlaub ausgehandelt war ist dann doch eine nette Ausbeute geworden und an den flachen Tagen saßen wir dann halt im Kayak und hatten Spaß.
    Wer nicht zu viel erwartet kann also Glück haben und wenn man dort urlaubt hat man ja noch viele Alternativen, sei es sightseeing, Stand-up paddeln, Fahrrad fahren oder einfach so den Strand genießen.
    Vorteil für alle nicht allzu weit weg Wohnenden sind dann noch die zahlreichen Webcams. Kann man schauen ob sich die Fahrt spontan lohnt.

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